Transat CICBoris Herrmann glücklich in New York – Ex-Navigator Lunven trotz Bruch im Ziel

Tatjana Pokorny

 · 09.05.2024

Boris Herrmanns ehemaliger Navigator Nico "The Brain" Lunven kam mit gebrochenem Bugspriet als 14. ins Transat-Ziel
Foto: Nico Lunven/Team Holcim-PRB
Zwei Tage nach seinem früheren Skipper Boris Herrmann hat “Holcim – PRB”-Skipper Nico Lunven die Ziellinie des Transat CIC mit gebrochenem Bugspriet, aber ungebrochener Moral erreicht. Für andere hält der schwere Kampf ums Ankommen im Nordatlantik-Marathon weiter an. Wieder andere – siehe Freudenbilder und Final-Video mit Boris Herrmann – genießen ihren Erfolg längst im Big Apple

Der Kampf um die vorderen Plätze im Transat CIC ist längst entschieden, die Podiumsplatzierten mit Yoann Richomme (”Paprec Arkéa”), Boris Herrmann (”Malizia – Seaexplorer”) und Samantha Davies (”Initiatives Cœur”) in New York gefeiert. Für andere starke Akteure aber ging die Nordatlantik-Prüfung unfreiwillig in die Verlängerung. Und für manche dauert der Kampf ums Ankommen unter extrem fordernden Bedingungen weiter an.

Zwei Transat-Bruchpiloten: Lunven vor Meilhat im Ziel

Am Mittwochabend kam Boris Herrmanns ehemaliger Navigator Nico “The Brain” Lunven ins Ziel. Mit gebrochenem Bugspriet humpelte der “Holcim – PRB”-Skipper als 14. einen Platz vor dem ebenfalls stark gestarteten “Biotherm”-Solisten Paul Meilhat über die 110 Seemeilen vor New York liegende Linie. Beide hatten in der ersten Transat-Halbzeit demonstriert, dass sie das Zeug zu mehr haben. Beide segelten zum Auftakt des Transat CIC auf Augenhöhe mit den Top-Booten. Beiden attestierte Boris Herrmann Siegchancen. Doch beide hatten nach Bruch an Bord ihr Rennen mit harten Handicaps zu Ende zu bringen.

Nico Lunven sagte nach dem Zieldurchgang am späten Abend des 8. Mai: „Ich hatte einen ziemlich vielversprechenden Start ins Rennen. Ich denke, ich war ziemlich gut im Rennen. Ich habe vielleicht ein bisschen Zeit gebraucht, um das richtige Setup zu finden, aber ich war von Anfang an ziemlich gut dabei. Bis zum Moment des Schadens, der in ziemlich schwierigen Bedingungen passierte.” Der “Holcim – PRB”-Skipper hatte sein Team in der dritten Nacht des Transat CIC darüber informieren müssen, dass sein Bugspriet gebrochen war. Der in schwerem Wetter abgerissene Beschlag, mit dem geborgene Segel an Deck gelascht werden, hatte den Bugspriet durch mehrfaches Draufschlagen demoliert. Das Boot lag beim Nasenbruch auf Platz fünf.

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Es ist ein großes Abenteuer, den Nordatlantik mit diesem Boot überquert zu haben” (Nico Lunven)

“Von diesem Moment an”, so Nico Lunven, “nahm das Rennen einen anderen Verlauf.” Nicht mehr imstande, seine Vorwind-Segel einzusetzen, blieb Lunven aber in teilweise schwierigen Bedingungen dennoch gefordert. “Die Bedingungen waren nicht einfach zu bewältigen. Es war aber interessant, mehrere Tage hintereinander in diesen Bedingungen zu segeln, um eventuell kleine Verbesserungsmöglichkeiten zu entdecken. Viele gibt es offenbar nicht. Das ist das große Plus in unserer Bilanz.” Es ist typisch für den zurückhaltenden Skipper, seine Freude über das insgesamt starke Boot auf diese Weise auszudrücken.

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Natürlich sei er ein bisschen frustriert, dass er nicht das gesamte Rennen im Regattamodus habe bestreiten können. Das sei enttäuschend. Gleichzeitig sei er froh, in New York angekommen zu sein. Nico Lunven sagte nach seinem Finale im Transat CIC: “Es ist ein großes Abenteuer, den Nordatlantik mit diesem Boot überquert zu haben. Das ist nicht gerade einfach.”

Isabelle Joschke “super zufrieden”

Gut sechs Stunden nach Nico Lunven humpelte ein weiterer Top-Akteur der Imoca-Klasse ins Ziel: Paul Meilhat brachte seine “Biotherm” als 15. über die weit vor New York liegende Linie. Meilhats erstes Fazit: “Es fühlt sich komisch an. Wir sind auf dem Meer, ganz allein, haben aber mit ‘Biotherm’ gerade die Ziellinie auf dem 15. Platz erreicht. Natürlich ist das nicht das erhoffte Ergebnis, aber genau zur Rennhalbzeit war es zu diesem Schock gekommen: dem beschädigten Foil und dem Wassereinbruch.”

Natürlich sei es schön, die Ziellinie fünf Tage später trotzdem erreicht zu haben. Die wenige Zeit, die er mit dem weiter intakten Steuerbord-Foil habe fahren können, das in gutem Zustand war, habe ihm nach eigener Aussage viel Freude bereitet. “Ich war gut im Rhythmus und hatte auch viel Spaß”, sagte Meilhat. Der war ihm dann nach der Kollision und der Beschädigung seines Backbord-Foils samt Slot teilweise vergangen. Paul Meilhat lag am Morgen des 3. Mai auf Platz drei der Imoca-Flotte in Schlagdistanz zum späteren Sieger Yoann Richomme, als ihn die Kollision hart ausbremste.

Ich bin begeistert, dass ich dieses Rennen bestritten habe” (Isabelle Joschke)

Vor den beiden unter Wert geschlagenen Top-Seglern war Isabelle Joschke als Zwölfte ins Ziel gekommen. Die “Macsf”-Skipperin sagte, sie sei “super zufrieden” mit ihrem Rennen. Beflügelt von ihrer gelungenen Last-Minute-Überrundung des lange vor ihr liegenden Schweizers Alan Roura auf “Hublot”, den sie nach starkem Schlussspurt im Ziel mit einer Viertelstunde Vorsprung noch auf Platz 13 hatte verweisen können, sagte Isabelle Joschke: “Natürlich bin ich mit dem Finish zufrieden und freue mich, dass ich am Ende noch einen Platz auf Alan gutmachen konnte. Auch wenn ich mich für ihn gefreut habe, dass er ein so gutes Rennen gefahren ist. Insgesamt habe ich meine Absichten eingehalten, nicht in den roten Bereich zu kommen, vorsichtig zu sein und insbesondere meine Segel nicht kaputtzumachen.”

Alan Roura mit delaminiertem Foil im Ziel

Isabelle Joschke zog nach ihrem Happy End zufrieden Bilanz: ”Ich habe es geschafft, all das zu tun, ohne mich zu überanstrengen, dabei sauber zu segeln und ein gutes Rennen zu fahren. Ich bin mit mir selbst zufrieden. Ich sehe, dass ich es schaffen kann. Es war ein lehrreiches Rennen, weil ich auf Wetterbedingungen gestoßen bin, die sich sehr von anderen Transatlantikregatten unterschieden. Ich habe viele Dinge erfahren, was den Umgang mit der Kälte angeht. Ich bin begeistert, dass ich dieses Rennen bestritten habe.“ Auch Alan Roura hat eine starke Kampfleistung erbracht, denn der Schweizer hatte nach einer Woche auf See ein heftig delaminiertes Backbord-Foil vermeldet, erreichte das Ziel aber dennoch als 13.

Von Liebesbekundungen à la Joschke war im Transat CIC am 9. Mai kaum einer weiter entfernt als der Schweizer Oliver Heer, dessen Imoca in der Nacht zum 5. Mai einen schweren Knockdown erlebte. Zuvor hatte sein Autopilot in 40 Knoten und mehr Wind versagt. Das Boot wurde auf die Seite gedrückt. “Es waren deutlich mehr als 90 Grad”, berichtete Oliver Heer. Bei seinem Kampf um die Wiedergewinnung der Kontrolle über sein Boot wurden einige Segel beschädigt. Zudem bekam der Skipper einen heftigen Schlag auf den linken Arm, beschrieb das Unglück später als “schrecklich”.

Der einsame Kampf des Oliver Heer

Seitdem ringt Oliver Heer weit hinter dem enteilten Feld vor allem mit dem totalen Stromausfall an Bord. Der Blackout beschäftigte den Skipper bei immer noch 880 Seemeilen bis ins Ziel auch am Mittag des 9. Mai weiter schwer. Direkt nach dem Blackout hatte er zunächst nur mit klassischen Papierkarten und veralteten Wetterinformationen arbeiten können. Die Kommunikation mit seinem Team an Land funktionierte mit dem Satellitentelefon nur unregelmäßig, weil das Signal schwach war.

Inzwischen hat Oliver Heer es geschafft, seine Elektrik so neu zu verkabeln, dass sie das Batteriemanagementsystem umgeht. Mit Hilfe der Solarzellen konnte er eine begrenzte Stromversorgung wiederherstellen. Dadurch konnte Oliver Heer laut seinem Team den Watermaker wieder betreiben, seine Kommunikationssysteme und den Bordcomputer neu laden, Wetterdaten herunterladen, seine Position überprüfen und auch den Autopiloten in Gang setzen, der nun phasenweise funktioniert. Nachts muss Heer allerdings von Hand steuern, weil seine Bordenergie ohne Tageslicht nicht ausreicht, um den Autopiloten zu betreiben.

Zuletzt hatte das Team Oliver Heer Ocean Racing am Mittwoch vermeldet: “Nach einer harten Nacht, in der er sich mit bis zu 40 Knoten per Handsteuerung durch eine Wetterfront kämpfte, tauchte Ollie in einer Bank aus eiskaltem Nebel und ohne jeglichen Wind auf! Er ist jetzt etwa sechs Stunden hinter der europäischen Zeit zurück und wartet darauf, dass die Sonne den Nebel durchbricht und die Solarzellen wieder mit Strom versorgt. In der Zwischenzeit versucht er, so gut wie möglich voranzukommen, und nutzt die Zeit, um eine Aufgabenliste für seine Ankunft an Land zu schreiben, eine Einkaufsliste für sein technisches Team zu erstellen und hoffentlich etwas Schlaf nachzuholen.”

Class-40-Finale voraus

Schlaflos auf Kurs New York befinden sich zeitgleich die Spitzenreiter der Class 40. Hier hält das packende Duell zwischen dem führenden Ambrogio Beccaria auf “Alla Grande Pirelli” und seinem extrem hartnäckigen Verfolger Ian Lipinski auf “Crédit Mutuel” weiter an. 23 Seemeilen trennten den Italiener und den Franzosen am Morgen des 9. Mai. Da hatte Beccaria noch rund 170 Seemeilen bis ins Ziel vor sich. Beide waren mit rund acht Knoten Speed unterwegs und lieferten sich ein Halsenduell. Die Entscheidung fällt voraussichtlich in weniger als 24 Stunden.

“Eine Woche wie diese gibt ein gutes Gefühl für das, was kommt …”, sagt Boris Herrmann. Hier der Rückblick auf die starke Leistung des “Malizia – Seaexplorer”-Skippers und Platz zwei im Transat CIC, den das Team in diesen Tagen in New York feiert:

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