Tatjana Pokorny
· 30.05.2024
Lennart Burke und Melwin Fink hatten sich für ihre Premiere im US-Ostküstenrennen Atlantic Cup ehrgeizig einen Platz im vorderen Drittel vorgenommen. Was bei einem kleinen, wenn auch feinen Feld von acht Booten nichts anderes als einen Podiumsplatz bedeutet. Kurz nach dem ersten Startschuss aber sah es erst einmal nicht so aus, als könnten die jungen deutschen “Sign for Com”-Co-Skipper ihr ambitioniertes Vorhaben umsetzen. Sie waren – was sie so unbedingt vermeiden wollten – kläglich in der Auftaktflaute hängengeblieben, segelten dem Feld lange auf den hinteren Rängen hinterher. Doch im weiteren Etappenverlauf agierten sie zunehmend zwingender, konnten die eigenen und die Stärken ihrer Pogo 40 S4 auch in der Gewitterschlacht ausspielen und sich noch auf Platz drei katapultieren.
Aus Newport berichtet Melwin Fink: “Der Atlantic Cup ist eine anspruchsvolle Regatta. Das hat diese erste Etappe gezeigt: Wir hatten einen sehr schwierigen Start, mussten bei Leichtwind aus der Bucht von Charleston rauskommen. Für uns war das besonders schwierig, weil wir dreimal an einer Tonne vorbeigetrieben sind, die wir noch runden mussten. Da sind uns ein paar Boote enteilt, die wir dann erstmal wieder aufsammeln mussten.”
Das Interessante waren der Golfstrom und die vielen Gewitter.” Melwin Fink
Statt gleich vorne mitzumischen, stand die jüngste Crew im Feld im Atlantic Cup gleich mit dem Rücken zu Wand da. Doch Melwin Fink sagt auch: “Als wir dann draußen waren, ging es gut los mit Downwind-VMG über die ganze Reise. Wir haben den Spi am ersten Tag hochgenommen und erst am letzten Tag wieder runtergenommen. Die ganze erste Etappe war super spannend . Das Interessanteste waren eigentlich der Golfstrom und die vielen Gewitter. Nach den ersten zwölf Stunden waren wir im Golfstrom drin, hatten dann um die drei Knoten Schub von hinten. Und das für die ganze Etappe!”
Du darfst keine Angst haben vor Gewittern, musst auch mal auf sie zufahren.” Lennart Burke
Die in ungewöhnlicher Intensität und Häufigkeit erlebten Gewitter waren für den 25-jährigen Lennart Burke und seinen 22-jährigen Co-Skipper Melwin Fink eine neue Erfahrung im Atlantic Cup. Lennart Burke sagte: “Wir hatten noch nie bei Regatten mit Gewittern zu tun. Die auch taktisch zu spielen, ist sehr spannend. Du kannst ja auch hängenbleiben. Du musst die Dreher rausfahren, darfst keine Angst haben vor den Gewittern, musst auch mal auf sie zusegeln.” Burkes Devise: “Nicht reinfahren, aber auch nicht zu sehr beeindrucken lassen, obwohl es sehr beeindruckend ist, die Blitze ins Wasser einschlagen zu sehen.”
Melwin Fink erklärt: “Nach einer Weile hat es echt Spaß gemacht, mit den Gewittern zu arbeiten. Also, sie zu beobachten. Man muss ihre Zugrichtung beobachten und einfach das ganze Rennen über sehr aufmerksam sein.” Die erste Etappe habe eine große Bandbreite an Herausforderungen gebracht, wie Lennart Burke erzählt: “Es spielten viele Komponenten rein: Squalls, die Gewitter, der Golfstrom. Dazu einige Leichtwindzonen, die wir umgehen mussten. Du musst einfach die ganze Zeit sehr, sehr aufmerksam sein.”
Das führte nicht nur auf der deutschen Class40 zu Schlafmangel. “Melwin Fink weiß: “In den letzten 24 Stunden haben wir nicht mehr unsere zwei Stunden Schlaf bekommen. Wir haben uns ständig gegenseitig wecken müssen, weil irgendetwas zu beobachten war. Und einer musste ja immer steuern. Eine Phase hatten wir auch mal 35 Knoten Wind auf dem Vorwind-Kurs.” So abwechslungsreiche Bedingungen wie auf dieser ersten Etappe im Atlantic Cup habe er noch nicht erlebt, fasste Lennart Fink die Auftaktetappe im Atlantic Cup zusammen.
“Dass wir dann bei unserer im Vergleich zur Konkurrenz immer noch wenigen Erfahrung – das muss man ja so ehrlich sagen – noch Dritte geworden sind, ist natürlich genial!” Melwin Fink nickt und stimmt ein: “Ja, das Etappenfinale war geil! Wir haben das auf Platz drei liegende Boot etwa 24 Stunden vor dem Ziel eingeholt. Den Platz konnten wir bei der starken Konkurrenz auch halten. Es sind zwar nur acht Boote, aber deren Crews haben alle richtig was auf dem Kasten.”
Die “Sign for Com” hat die erste Etappe nahezu unbeschadet überstanden. Melwin Fink sagt: “Wir haben ein paar kosmetische Reparaturen zu erledigen und freuen uns sehr darauf, Newport zu erkunden. Der Startschuss zur zweiten Etappe im Atlantic Cup fällt am 1. Juni vor Newport. Es geht über 250 Seemeilen nach Portland, wo anschließend noch zwei längere Tagesrennen zusammen die dritte und letzte Etappe bilden. Als führendes Boot startet die italienische “Acrobatica” mit Alberto Riva und Jean Marre in die zweite Prüfung. Das Duo hatte Abschnitt eins in 67 Stunden, 46 Minuten und 16 Sekunden gewonnen.
Es war ein Abenteuer!” Alberto Riva
Nur gut zehn Minutern später kam “Everial” mit Erwan Le Draoulec und Co-Skipper Tanguy Leglatin ins Ziel, den so viele Solisten und Duos auch als Trainer und Class40-Ausbilder schätzen. Sieger Alberto Riva sagte: “Es war das erste Mal, dass ich mit diesem Rennen diese Gewässer erlebt habe. Es war ein Abenteuer! Es war das erste Mal, dass ich einem Konkurrenten (Red.: “Everial”) über einen so großen Teil eines Rennens so nahe war. Für mich war es eine große Entdeckung, dass wir in der Lage waren, sie und diese Bedingungen in Schach halten und meistern zu können. Ich habe eine Menge über ‘Acrobatica’ gelernt.“
Auch der zweitplatzierte Erwan Le Draoulec zeigte sich begeistert von der amerikanischen Class40-Herausforderung, sagte: “Die Etappe war wirklich gut und sehr komplett mit ihren vielen unterschiedlichen Bedingungen. Der Start war sehr leichtwindig, aber mit dem Vorwind bekamen wir eine gute Geschwindigkeit und mussten von dort aus durch die Stürme kommen. Das Rennen war nicht perfekt, aber es war schon fast perfekt. Dieses Boot ist fürs Vorwindsegeln gemacht, also hat es am Ende dort ziemlich perfekt funktioniert.“